Mit der Menschenrechtsbildung an Österreichs Hochschulen ist es nicht zum Besten bestellt. Das belegt eine Studie des Europäischen Trainings- und Forschungszentrums für Menschenrechte und Demokratie der Karl-Franzens-Universität Graz (UNI-ETC) unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Benedek. Die vom Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung in Auftrag gegebene Untersuchung zum Status quo der Menschenrechtsbildung und -forschung an Österreichs Universitäten, Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen zeigt Defizite in Lehre und Forschung auf.
Nur an sieben der insgesamt 22 öffentlichen und an zwei der 13 privaten Universitäten Österreichs werden menschenrechtliche Lehrveranstaltungen abgehalten, zeigt die Studie des UNI-ETC auf. Die Ergebnisse basieren auf einer umfangreichen Fragebogenerhebung und einer Auswertung der Lehrpläne im Hinblick auf „reine“ Menschenrechtsangebote sowie assoziierte Themen. „In den Curricula sind Menschenrechte äußerst selten als Pflichtveranstaltungen vorgesehen. Demnach stellen weniger als 20 Prozent der 923 Befragten menschenrechtliche Bezüge in ihren Lehrveranstaltungen her. Etwa die Hälfte unterrichtet verwandte Themen wie Nachhaltigkeit, Ethik, Gender, Diskriminierung, kulturelle Diversität oder Migration“, berichtet Wolfgang Benedek. Ausschlaggebend sei hier vor allem das Interesse der Vortragenden. Gleichzeitig konnte bei den Lehrenden großes Interesse an einer breiteren Integration der Thematik in Lehre und Forschung festgestellt werden. „Doch es fehlt dafür eine Strategie, und die dichten Lehrpläne, unzureichende Mittel sowie mangelndes Bewusstsein bei den EntwicklerInnen der Curricula tun das Übrige“, kritisiert Benedek.
Auch im Forschungsbereich fristen die Menschenrechte ein Schattendasein. Fast 40 Prozent der Befragten wissen nicht, ob es an ihrer Bildungseinrichtung einen Forschungsschwerpunkt zu Menschenrechten, Menschenrechtsbildung oder verwandten Themen gibt. Insgesamt zehn menschenrechtsspezifische Projekte – meist an Völkerrechtsinstituten angesiedelt – verteilen sich auf nur drei Universitäten. „Eine der Ursachen für die geringe Forschungsaktivität ist die Finanzierung, die hauptsächlich von den jeweiligen Einrichtungen selbst getragen wird oder über Drittmittel erfolgen muss“, betont Benedek. Darüber hinaus bestehen keine besonderen Förderungen, und die vorhandenen Mittel werden großteils als unzureichend beurteilt.“ Weiterbildungsmöglichkeiten sind rar, zudem ist das Wissen darüber gering. Zwei Drittel der Befragten kennen keine entsprechenden Angebote.
Wolfgang Benedek plädiert für die Entwicklung einer nationalen Strategie. Der Aktionsplan des „Weltprogramms für Menschenrechtsbildung“ der UNO enthält zahlreiche Anforderungen an die nationale Menschenrechtsbildungspolitik: etwa die Entwicklung von Lehrmaterialien, die Stärkung der Forschung oder den Aufbau von Netzwerken. „Für besonders wichtig erachte ich Einführungslehrveranstaltungen an allen Universitäten in Form eines Wahlfaches“, so Benedek. „Außerdem müssten die Menschenrechte stärker in den Curricula verankert und die bestehenden Angebote besser bekannt gemacht werden.“ Eine gute Möglichkeit, die Universitäten für das Thema zu sensibilisieren und die Forschung voranzutreiben, seien auch staatliche Doktoratsstipendien im Bereich der Menschenrechte. An der Karl-Franzens-Universität Graz wurde als Teil des Forschungsschwerpunktes „Heterogenität und Kohäsion“ das interdisziplinäre Doktoratsprogramm „Menschenrechte, Demokratie und Gender“ eingerichtet.