Viele Videospiele kommen ohne sie nicht mehr aus: Lootboxen. Diese virtuellen Schatzkisten funktionieren nach dem Zufallsprinzip: Entweder sie sind prall gefüllt mit nützlichen virtuellen Gütern, wie beispielsweise Waffen, Erfahrungspunkten oder sogar neuen Figuren, die den Game-Verlauf beeinflussen – oder sie entpuppen sich als wertlos. Vor dem Erwerb – mittels echtem Geld oder durch Erreichen bestimmter Spielerfolge – weiß das allerdings niemand. „Das System erinnert stark an das eines konzessionspflichtigen Glücksspiels. Diese sind in Österreich genau geregelt und steuerpflichtig. Obwohl das österreichische Glücksspielgesetz Lootboxen nicht ausdrücklich nennt, fallen gewisse Ausformungen davon rein rechtlich gesehen darunter“, erläutern Martin Sumper und Lily Zechner, beide AssistentInnen am Institut für Finanzrecht der Universität Graz.
Mit ihrer aktuellen Publikation betreten die beiden ForscherInnen in Österreich wissenschaftliches Neuland, denn bislang gibt es keine rechtliche Klarheit für Lootboxen. Und das, obwohl deren Inhalte so stark gefragt sind, dass sie von SpielerInnen um sehr viel Geld auf eigenen Online-Börsen gehandelt werden. Der Verkauf von Lootboxen ist auch für Spielehersteller zu einem wesentlichen Umsatzfaktor geworden. Martin Sumper und Lily Zechner identifizierten drei Voraussetzungen, die eine Lootbox zum Glücksspiel machen: „Sie ist käuflich, ihr Inhalt ist innerhalb eines Games unter den SpielerInnen übertragbar und er kann auf Online-Börsen gegen Echtgeld gehandelt werden“, schildert Lily Zechner. Sind diese Eigenschaften gegeben, stellen Lootboxen gegen Einsatz einen Gewinn in Aussicht, der vom Zufall abhängt und erfüllen somit die rechtlichen Voraussetzungen für ein Glücksspiel.
Der Blindkauf ist außerdem darauf ausgelegt, einen ähnlichen Adrenalin-Kick bei den SpielerInnen zu erzeugen wie ein einarmiger Bandit. Lootboxen bergen deshalb auch ein ebensolches Suchtpotenzial, beschreibt Martin Sumper: „Sie sollen die Hoffnung wecken, dass beim nächsten Mal etwas Wertvolles in der Kiste sein wird.“ Seit dem vergangenen Jahr listet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Computerspielsucht offiziell als Krankheit. Auch deshalb unterstreichen die beiden RechtswissenschafterInnen die drastischen Auswirkungen, die manche Lootboxen haben können. „Aufgrund der hohen Suchtgefahr ist es auch rechtspolitisch sinnvoll, die von uns analysierte Art von Lootboxen zu regulieren und zu besteuern. An oberster Stelle sollte aus glücksspielrechtlicher Sicht immer der Schutz der SpielerInnen stehen“, betonen die WissenschafterInnen.
Publikation: Sumper/Zechner, "Lootboxen (virtuelle Schatzkisten) in Online-Videospielen aus der Sicht des Glücksspielrechts", Recht der Wirtschaft (RdW) 2019, 122-132.
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