Noch bis morgen, Freitag, ringen internationale RegierungsvertreterInnen auf der UN-Klimakonferenz in Paris um eine neue, weltweit verbindliche Klimaschutz-Vereinbarung. Diese wäre für Österreichs Permafrost-Gebiete – 2,5 Prozent der Landesfläche weisen einen ganzjährig gefrorenen Untergrund auf – dringend notwendig. „Die Stabilität von Infrastruktur – Dämmen, Seilbahnstützen, Häusern, aber auch alpinen Wanderwegen – und die Sicherheit von Mensch und Tier können bei klimawandelbedingter Erwärmung und dadurch bewirkten Veränderungen im Untergrund gefährdet sein“, weiß Dr. Andreas Kellerer-Pirklbauer vom Institut für Geographie und Raumforschung der Uni Graz. Schmilzt der Dauerfrostboden in den österreichischen Alpen, wären davon 23 Schigebiete, 31 Speicherseen und 42 alpine Schutzhütten direkt oder indirekt betroffen. Auch tiefer gelegene Areale würden darunter, etwa durch Steinschlag, leiden.
Das von Kellerer-Pirklbauer geleitete Langzeitprojekt „Permafrostmonitoring in der Tauern-Region“ belegt, dass nicht nur das vergangene Messjahr außergewöhnlich heiß war. Auch der gesamte beobachtete Zeitraum seit 2004 zeigt signifikante Erwärmungstrends in verschiedenen Untersuchungsgebieten von Tirol bis in die Steiermark auf. Neben der Lufttemperatur war in Österreichs Permafrost-Gebieten im Sommer 2015 auch die Bodentemperatur so hoch wie noch nie zuvor – beispielsweise an einem Messstandort in den Seckauer Tauern in der Steiermark um 2,2 Grad Celsius wärmer als das langjährige Mittel.
Um die besorgniserregenden Entwicklungen zu überwachen, wäre ein österreichweit koordiniertes und institutionalisiertes Messnetz notwendig, bestätigt der Forscher. Ein solches existiert hierzulande bislang jedoch nicht. Ein mögliches Konzept dafür erarbeitete Kellerer-Pirklbauer gemeinsam mit KollegInnen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik in Wien im Rahmen des Projekts „permAT“. Dieses ist Teil des langjährigen Forschungsprogramms „StartClim“, in dem sich ForscherInnen seit Anfang 2003 mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen in Österreich auseinandersetzen.
„Neun politische Bezirke in Österreich weisen eine potenzielle Permafrostfläche von mindestens 100 Quadratkilometern auf. Die meisten dieser Bezirke liegen in Tirol und je einer in den Bundesländern Salzburg, Kärnten und Vorarlberg“, berichtet Kellerer-Pirklbauer. Derzeit gibt es aber nur drei Standorte mit Bohrlöchern im Permafrost – zwei in den Hohen Tauern, einen in den Nördlichen Kalkalpen –, über die entsprechende Messdaten erhoben werden können. An 19 weiteren Stationen im gesamten Bundesgebiet beobachtet man zumindest indirekt – etwa durch Geophysik – Veränderungen im Permafrost.
Der Wissenschafter rät dringend, die Dichte dieser Messstandorte zu erhöhen: „Zu erfassen wären insbesondere die Temperaturen direkt in den Bohrlöchern sowie oberflächennahe Bodentemperaturen. Tirol, der Bezirk Zell am See sowie das südöstliche Vorarlberg haben diesbezüglich den höchsten Bedarf.“ Die Schweiz hat bereits auf die alarmierenden Erwärmungstrends reagiert und auf 13 Bohrloch- sowie um zahlreiche weitere Monitoringstandorte aufgestockt. Frankreich hat vor kurzem nachgezogen. Um in Österreich ein ähnliches Netzwerk zu erreichen, wäre eine Mindestinvestition von rund 1,5 Millionen Euro exklusive jährlicher Folgekosten erforderlich, schätzt Kellerer-Pirklbauer.