Weltweit wird intensiv an der Entwicklung eines Wirkstoffs gegen SARS-CoV-2, den Auslöser der Krankheit Covid-19, geforscht. Die Universität Graz startet nun eine Fundraising-Kampagne, um einen unkonventionellen Forschungsansatz voranzutreiben. Ziel ist zu verhindern, dass das Virus in den menschlichen Körper gelangt. Ein neu entwickeltes Medikament soll dem Erreger das Eindringen in die Zellen über die sie umgebende Matrix verwehren.
>> Zur Projektwebseite mit Spendenmöglichkeit: https://fundraising.uni-graz.at/de/stop-covid-19/
Projektleiter Andreas Kungl vom Institut für Pharmazeutische Wissenschaften der Universität Graz erklärt: „Unsere Zellen sind von komplexen Zuckerstrukturen in einer Matrix umhüllt, die als erste Schranke das abwehren, was von außen in den Körper kommt. Gewisse Eindringlinge – zum Beispiel Tumorzellen, aber auch Viren wie SARS-CoV-2 – können sich gerade diese Barriere zunutze machen.“ Zu diesem Zweck heftet sich der Covid-19-Erreger an diese Zucker als erste Andockstation, bevor er über einen typischen Eiweiß-Rezeptor in die Zielzellen der Lunge eindringt. Genau an dem ersten Erkennungspunkt soll ein neuer Wirkstoff zum Einsatz kommen, der das Andocken und damit den Eintritt in das Zielgewebe verhindert.
Zucker als „Game Changer“
In diesem Prozess spielen spezielle Zuckermolekül-Rezeptoren eine Schlüsselrolle. „Aufgrund ihrer komplexen chemischen Natur sind sie bislang wenig beforscht und im Zusammenhang mit der Entwicklung eines Medikaments gegen Covid-19 noch so gut wie gar nicht diskutiert worden“, erklärt Kungl. In Zukunft wird es unumgänglich sein, über eine große Bandbreite von Wirkstoffen zu verfügen, schildert der Forscher und führt weiter aus: „Dafür essenziell ist, dass wir viele passende molekulare Strukturen identifizieren, an denen pharmazeutische Substanzen ihre Wirkung entfalten können. Weil wir uns mit den Zuckermolekül-Rezeptoren auf eine völlig neue Art von Angriffspunkten konzentrieren, ist unser Ansatz richtungsweisend und hat das Potenzial, zur Bekämpfung von zukünftigen, durch Viren ausgelöste Krankheiten entscheidend beizutragen.“
Forschung am Standort Graz fördern
Andreas Kungl und seine Arbeitsgruppe beschäftigen sich schon lange mit der Erforschung von möglichen Angriffspunkten für Biopharmazeutika, die unter anderem auch Metastasen – zum Beispiel bei Lungen-, Prostata- und Darmkrebs – verhindern sollen. Am aktuellen Projekt beteiligt ist auch Kurt Zatloukal vom Diagnostik- und Forschungsinstitut für Pathologie der Medizinischen Universität Graz. Gemeinsam will das Team in den kommenden 18 Monaten einen Wirkstoff für PatientInnen mit schwerem Krankheitsverlauf bei Covid-19 verfügbar machen. „Die Fundraising-Aktion soll dazu beitragen, diese wesentliche Forschungsarbeit finanziell zu unterstützen und damit zu beschleunigen“, erklärt Peter Riedler, Vizerektor für Finanzen, Personal und Standortentwicklung der Universität Graz.
Am Standort Graz laufen parallel noch weitere Forschungsprojekte, die sich ebenfalls mit der Bekämpfung des Coronavirus beschäftigen. Das Unternehmen Innophore, ein Start-up der Universität Graz, testet beispielsweise in Zusammenarbeit mit Google und der Harvard University aktuell rund zwei Milliarden potenzielle Wirkstoff-Kandidaten gegen SARS-CoV-2.