Messverfahren, die den exakten Zustand von Zwischenprodukten einer chemischen Reaktion beschreiben, gelten als Heiliger Gral in der Analytischen Chemie. „Eine besondere Herausforderung ist die Bestimmung von Reaktionsprodukten auf Oberflächen. Etablierte Methoden liefern hier oft keine eindeutigen Ergebnisse“, erklärt Peter Puschnig vom Institut für Physik der Universität Graz. Nun ist die Forschung der Natur ein Stück weit auf die Schliche gekommen: Dank eines Verfahrens, das die Grazer Physiker gemeinsam mit Kollegen des Forschungszentrums Jülich vor rund zehn Jahren entwickelt hatten. Die Methode ist nun soweit gereift, dass sie den Verlauf einer chemischen Reaktion auf einer Kupferoberfläche mitsamt allen Zwischenprodukten abbilden kann. Die Ergebnisse, die für die Entwicklung von ultradünnen Photovoltaikzellen oder chemischen Sensoren höchst relevant sind, wurden im renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht.
Mit Hilfe der so genannten Orbitaltomografie können die WissenschafterInnen den wahrscheinlichen Aufenthaltsort von Elektronen in Atomen oder Molekülen mathematisch rekonstruieren. Nun wurde diese Methode erstmals auf die thermisch induzierte Reaktion des Moleküls Di-Brom-Bianthrazen auf einer Kupferoberfläche angewandt. Bisher war lediglich bekannt, dass hier bei Temperaturen von rund 700 Grad Celsius Graphen entsteht – ein aufgrund seiner Vielseitigkeit als „Wundermaterial“ gefeiertes Halbmetall. „Davor, bei rund 250 Grad Celsius, bildet sich jedoch schon ein Zwischenprodukt, das Nano-Graphen. Seine chemische Natur konnten wir bislang nicht eindeutig charakterisieren“, schildert Serguei Soubatch vom Forschungszentrum Jülich. Zudem war es bis dato nicht möglich gewesen, mit letzter Gewissheit zu klären, ob es bei dieser Reaktion zur Loslösung von Wasserstoffatomen kommt.
Mit Hilfe der Orbitaltomografie haben die ForscherInnen nun Klarheit geschaffen: Sie identifizierten Nano-Graphen als das Molekül Bisanthene (C28H14). „Außerdem haben wir gezeigt, dass sich die Molekülorbitale, also die räumliche Elektronenverteilung innerhalb eines Moleküls, bei Entfernen von Wasserstoffatomen sehr drastisch ändern würden. Dieses Faktum stützt unseren Schluss, dass es sich bei Nano-Graphen um C28H14 handeln muss“, erklärt Stefan Tautz vom Forschungszentrum Jülich. Das gewonnene Wissen ist für die Entwicklung neuartiger elektronischer Bauelemente, die auf nanostrukturiertem Graphen basieren, von essenzieller Bedeutung. An der Publikation waren außerdem die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) Berlin und Universität Heidelberg beteiligt. Gefördert wurden die Forschungen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem österreichischen Wissenschaftsfonds FWF im Rahmen eines bilateralen DACH-Projekts.
Publikation: Yang et al., Identifying surface reaction intermediates with photoemission tomography. Nature Communications, Juli 2019.
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