Eisdecke und Wetterverhältnisse in Grönland haben deutliche Auswirkungen auf das Klima in Europa. Jakob Abermann vom Institut für Geographie und Raumforschung der Universität Graz befasst sich deshalb intensiv mit den Umweltbedingungen auf der größten Insel der Welt. Gemeinsam mit Kolleg:innen vom Know Center Graz hat er nun neue Erkenntnisse aus historischen Daten gewonnen, die unser Verständnis von Klimaänderungen verbessern können. Die Ergebnisse wurden soeben im Magazin „Scientific Reports“ veröffentlicht.
„Wir stießen auf mehrere hundert Seiten von bislang brach liegenden Messergebnissen, die Alfred Wegener vor knapp hundert Jahren auf seiner Grönland-Expedition gesammelt hatte“, berichtet Abermann. Der Meteorologe und Geophysiker Wegener war damals Professor an der Universität Graz. Seine Dokumentationen zur Beschaffenheit von Schnee und Eis, Gletscherdicke, Lufttemperatur und -feuchtigkeit analysierten die Forscher:innen nun und setzten sie mit aktuellen Messungen sowie Rückrechnungen aus Klimamodellen in Verbindung. „Es ist erstaunlich, wie gut die Messungen in vielen Variablen mit den Modellierungen übereinstimmen“, so Abermann. Allerdings werden lokale Einflüsse in ihrer Komplexität nicht ausreichend berücksichtigt. Das hat wiederum Auswirkungen auf Berechnungen zur Entwicklung der Gletscher.
„Spannend für uns ist, dass Wegeners Expeditionsjahre 1929 bis 1931 in eine außergewöhnlich warme Periode gefallen sind, aus der wir bis dato kaum Daten hatten. Vergleiche mit heute sind daher besonders relevant“, schildert der Meteorologe. Im Sommer 2022 errichtete das Forschungsteam der Universität Graz und des Know Center Graz ein Beobachtungsnetzwerk, um den Messergebnissen von damals aktuelle gegenüberstellen zu können. Der beobachtete Gletscher ist seit Wegeners Zeit an manchen Orten um 120 Meter dünner und um mehr als zwei Kilometer kürzer geworden.
Als nächsten Schritt wollen Abermann und sein Team nun die seit letztem Jahr gewonnenen Daten nutzen und künstliche Intelligenz einsetzen, um anhand der alten und der neuen Studien die treibenden Kräfte für die Gletscherveränderungen zu bestimmen. Diese Erkenntnisse helfen, den künftigen Wandel des Eises sowie des Klimas besser abzuschätzen.