Knapp 11 400 muslimische Kinder erhalten aktuell in der Steiermark und in Kärnten Schulunterricht in ihrer Religion. Wie dieser organisiert ist, woher die Lehrpersonen kommen und wie sie ausgebildet sind, haben Wolfgang Weirer und Agnes Gmoser vom Institut für Katechetik und Religionspädagogik der Uni Graz im Rahmen des Projekts „Integration durch interreligiöse Bildung“ nun erstmals erhoben. Den ExpertInnen geht es um eine kritische Lesart des Koran im aktuellen Kontext, eine wertschätzende Haltung anderen Glaubensrichtungen gegenüber sowie eine aufgeklärte Perspektive, um etwaigen Tendenzen der Fundamentalisierung entgegenzuwirken.
Die 74 islamischen ReligionslehrerInnen, die in der Steiermark und in Kärnten an 362 Standorten im Einsatz sind, sind nahezu ausschließlich sunnitisch. Etwa ein Drittel ist jünger als 30, 40 Prozent haben ein bis fünf Jahre Berufserfahrung. Männer und Frauen halten sich bei den Jüngeren die Waage. Bei den Älteren dominieren die Männer. Gut 80 Prozent arbeiten hauptberuflich in der Schule, ebenso hoch ist der Anteil an AkademikerInnen. Allerdings hat nur rund ein Viertel eine fachspezifische Lehramtsausbildung nach österreichischen Standards.
„Das zeigt, dass die Bildungspolitik großen Aufholbedarf hat. Bis heute gibt es nur in Wien und Innsbruck die Möglichkeit, islamische Religionspädagogik zu studieren“, betont Projektleiter Weirer. Würde auch an der Uni Graz eine einschlägige Professur etabliert, könnten sich mehr MuslimInnen entsprechend qualifizieren. „Diese Maßnahme würde darüber hinaus die Entwicklung eines Islam österreichischer Prägung – also angepasst an mitteleuropäische Werte und Lebensumstände – entscheidend unterstützen“, so Weirer weiter. „Die hochwertige Ausbildung ist uns ein großes Anliegen. Die Karl-Franzens-Universität bekennt sich ganz klar zu ihrer gesellschaftlichen Verantwortung“, betont auch Rektorin Christa Neuper.
Im Zuge des Forschungsprojekts erarbeiten Grazer katholische und muslimische ReligionspädagogInnen auch eine Strategie zur nachhaltigen Etablierung eines islamischen Unterrichts nach heimischen Qualitätskriterien. Schon jetzt sind die Religionsstunden in der Hälfte der Fälle gut in den Schulalltag integriert und finden zeitgleich mit dem christlichen Unterricht statt. Interreligiöse Einheiten, bei denen christliche und islamische SchülerInnen gemeinsam lernen, ließen sich daher unkompliziert durchführen. Sie würden Kinder und Jugendliche in Bezug auf ihren Glauben dialogfähig machen. Ein entsprechendes Konzept wird vom Projektteam erprobt und evaluiert.
Das Klären rechtlicher Rahmenbedingungen des islamischen Religionsunterrichts ist ein weiteres Ziel. Darüber hinaus planen die WissenschafterInnen Fortbildungsmaßnahmen, um die Qualität der Schulbildung zu heben. Da die beiden zuständigen Fachinspektoren Ali Kurtgöz und Esad Memic an einer Zusammenarbeit sehr interessiert sind, können die ersten Kurse bereits im Herbst starten.
Bildungsdirektorin Elisabeth Meixner begrüßt diesen Schritt: „Die Schule prägt neben dem Elternhaus unsere Kinder und Jugendlichen entscheidend. Der islamische Religionsunterricht ist eine wichtige Bereicherung, es bedarf jedoch durchgehend einer mitteleuropäischen Färbung und Betrachtung, um möglichen fundamentalistischen und extremistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Demzufolge befürworte ich die Möglichkeit, dass sich unsere islamischen ReligionspädagogInnen sich an der Uni Graz fortbilden dürfen. Ein weiterer Schritt wäre, eine entsprechende Professur zu etablieren.“
Die präsentierte Studie wurde in Zusammenarbeit mit den islamischen Schulämtern durchgeführt. Das gesamte Forschungsvorhaben wird vom Bildungsministerium, vom Außenministerium, dem Land Steiermark und der Stadt Graz gefördert. „Der Religionsunterricht ist einer der entscheidenden Faktoren für gelingende Integration. Ich freue mich, dass es mit der vorliegenden Studie nun erstmals gelungen ist, den Islamischen Religionsunterricht wissenschaftlich zu untersuchen und entsprechend aufzubereiten. Als Förderer war es mir besonders wichtig, dass es nicht nur bei der reinen Datenerhebung bleibt, sondern auch konkrete Maßnahmen abgeleitet werden. Die Fortbildung für islamische ReligionspädagogInnen, die ab Herbst an der Uni Graz angeboten wird, ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Darüber hinaus hoffe ich, dass es uns gemeinsam gelingen wird, in nicht allzu ferner Zukunft auch einen vollwertigen Lehrstuhl für islamische Religionspädagogik in Graz zu schaffen“, erklärt der Grazer Stadtrat für Bildung, Integration und Soziales Kurt Hohensinner.
Näheres zum Projekt
Donnerstag, 22.03.2018