Die Bauarbeiten an der Universitätsbibliothek Graz sind abgeschlossen, die modernste Bibliothek Österreichs ist seit Herbst 2019 eröffnet und seit dem Wintersemester 2019 in Betrieb. Architektonisch besonders spektakulär ist der auskragende gläserne Neubau, der über dem historischen Gebäude sitzt.
Genau dort steht jetzt über die Sommerferien wieder ein Gerüst, denn an der Deckenuntersicht wird das Kunst & Bau Projekt der österreichischen Künstlerin Anna Artaker realisiert.
Hans-Peter Weiss, CEO der Bundesimmobiliengesellschaft: "Seit 15 Jahren bringt die Bundesimmobiliengesellschaft unter dem Titel BIG ART Kunst in den öffentlichen Raum. Wir haben vor allem mit unseren Bildungsbauten die Möglichkeit, Kunst in der Mitte der Gesellschaft stattfinden zu lassen. Orte wie Universitäten und Schulen sind prädestiniert dafür, Phantasie und Inspiration in den Alltag zu bringen und ein waches Bewusstsein für unsere Umgebung zu formen."
Petra Schaper-Rinkel, Vizerektorin für Digitalisierung der Universität Graz: "Die Universitätsbibliothek Graz ist ein Ort des Wissens und der Forschung im Zentrum des Campus. Ich freue mich, dass wir hier durch das Kunstprojekt Vergangenheit und Zukunft verbinden: ein historisches Motiv, in traditioneller Handwerkstechnik als Teil der modernen Architektur ausgeführt, verbindet Alt und Neu in spannungsreicher Weise."
Für Artaker wird die Untersicht des Dachaufbaus zum überdimensionalen Bildträger im öffentlichen Raum. In ihrer flächenmäßig bisher größten Arbeit PERSPECTIVA PRACTICA überträgt sie einen Kupferstich aus der Renaissance zweihundertzwanzigfach vergrößert auf die 500 Quadratmeter große Fläche des aufsehenerregenden Neubaus, modernisiert ihn damit und schafft eine Verbindung zwischen jahrhundertealtem Buchwissen und den modernen Anforderungen an einen Bibliotheksbetrieb. Ausgangspunkt und Vorlage für ihre Arbeit ist eine Illustration aus dem Lehrbuch des französischen Renaissance-Gelehrten Jean Du Breuil von 1642 mit dem Titel PERSPECTIVA PRACTICA. Damit verweist Artaker auf den Wissensstand zur Zeit der Gründung der Universität Graz 1585.
Am 3. Juli zeigte die Künstlerin vor Ort den Entstehungsprozess ihrer Arbeit. Anna Artaker über Ihre Arbeit: "Ich freue mich, mit meiner Arbeit zur gelungenen Erweiterung der Universitätsbibliothek auf dem Campus der Karl-Franzens-Universität beizutragen. Das Motiv stammt aus einem Lehrbuch zur praktischen Anwendung der Zentralperspektive. Es zeigt sechs Personen um eine Lichtquelle in einem zentralperspektivisch dargestellten Raum. Licht und Perspektive sind auch Metaphern, die häufig in Zusammenhang mit Wissensaneignung und Wissenschaft verwendet werden: Wissen eröffnet uns 'neue Perspektiven' auf die Welt, die uns umgibt. Die von der Entwicklung der Naturwissenschaften geprägte Zeit der Aufklärung – aus der die Vorlage stammt – wird oft direkt mit Licht in Verbindung gebracht. So schafft die perspektivische Darstellung die Illusion eines zusätzlichen Raums und weckt Assoziationen zum universitären Leben auf dem Campus."
Aufwändige Renaissance-Technik für moderne Kunstintervention
Die ins Gigantische vergrößerte und in den Putz eingekratzte Zeichnung erzeugt durch die Perspektive eine starke räumliche Wirkung – eine Art Kuppel. Das Motiv wird von Buchdimension auf architektonische Dimensionen vergrößert und in aufwändiger Sgraffito-Technik auf die Untersicht des auskragenden Neubauteils übertragen. Die Technik des Sgraffito wurde in der italienischen Renaissance perfektioniert und verstärkt als Strukturtechnik die räumliche Wirkung des Motivs. Über eine dunkel eingefärbte Putzschicht wird eine hellere Deckschicht aufgetragen, in diese wird das Motiv eingekratzt und der dunklere Putz dadurch sichtbar, was die räumliche Wirkung noch einmal verstärkt. Die Entscheidung der Künstlerin für die Sgraffito-Technik ist auch eine Referenz an die Technik des Kupferstichs, bei der das Motiv ebenfalls in die Druckplatte eingekratzt wird.
Die große Fläche, die bearbeitet wird, ist eine besondere Herausforderung für die Arbeit mit Sgraffito-Technik. Der Putz muss Stück für Stück aufgetragen und als Tagwerk im noch feuchten Zustand gleich im Anschluss gekratzt werden.
Aktuell sind rund 100 von insgesamt 500 Quadratmetern fertig. An der Umsetzung arbeiten jeweils drei bis vier Personen gleichzeitig, sie wird voraussichtlich insgesamt zehn Wochen dauern und vor Beginn des Herbstsemesters fertiggestellt sein.
Das Kunst & Bau Projekt PERSPECTIVA PRACTICA geht aus einem Wettbewerb der BIG ART, der Kunstinitiative der Bundesimmobiliengesellschaft, hervor und ist Teil der umfassenden Modernisierung der Universitätsbibliothek der Karl-Franzens-Universität Graz.
Über die Künstlerin
Anna Artaker wurde 1976 in Wien geboren. Sie studierte Philosophie und Politikwissenschaften an den Universitäten Wien und Paris 8 sowie Konzeptkunst an der Akademie der bildenden Künste in Wien. Seit 2015 ist sie Elise Richter Research Fellow an der Akademie der bildenden Künste Wien, wo sie ihre Habilitation vorbereitet. Anna Artaker ist Mitglied der Jungen Akademie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (im Bereich künstlerische Forschung) und Mitglied der Vereinigung bildender KünstlerInnen der Wiener Secession. Sie lebt in Wien.
Über BIG ART
Unter dem Begriff "BIG ART Kunst & Bau" findet in der Bundesimmobiliengesellschaft ein synergetischer Dialog zwischen ArchitektInnen, NutzerInnen und österreichischen und internationalen KünstlerInnen statt. Dieser beinhaltet die Entwicklung, Umsetzung und Dokumentation permanenter und temporärer Kunstprojekte an ausgewählten Gebäuden der Bundesimmobiliengesellschaft. Abhängig vom Projektvolumen lobt die BIG jährlich ein bis drei Wettbewerbe für Kunst & Bau-Projekte aus und realisiert in Folge die Siegerprojekte. In der Steiermark wurden seit Gründung von BIG ART 2005 – einschließlich das gegenständliche BIG ART Projekt für die Universität Graz – insgesamt acht BIG ART Projekte mit einem Investitionsvolumen von rund 1 Mio. Euro realisiert.
Universitätsbibliothek – Generalsanierung und Erweiterung: 2015 bis 2019
Es ist der spektakuläre auskragende Bau, der über dem historischen Lesesaal zu schweben scheint und die Blicke auf sich zieht. Die Fassade aus dem Jahr 1895, die mehr als 50 Jahre hinter einem Zubau aus den 1970ern verschwunden war, wurde wieder ans Tageslicht geholt. Darauf setzte der Grazer Architekt Thomas Pucher einen gläsernen Quader, verband Bibliothek und Hauptgebäude mit einem transparenten Foyer und fügte über Jahrzehnte ergänztes Stückwerk zu einem großen Ganzen zusammen. Nun sind erstmalig die Gebäudeteile mit mehr als 10.000 Quadratmetern zu einer Einheit zusammengewachsen.