Der Leitzins der Europäischen Zentralbank (EZB) liegt seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent. Davon profitiert, wer bei einer europäischen Bank Geld aufnimmt, da in Abhängigkeit vom Leitzins auch die Kreditzinsen niedrig sind. Deshalb kann es sinnvoll sein, einen alten, höher verzinsten Kredit in einen neuen umschulden zu lassen. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die vorzeitige Rückzahlung des alten Kredits mit Kosten verbunden ist. Edwin O. Fischer und Ines Wöckl von Institut für Finanzwirtschaft der Universität Graz haben eine Formel entwickelt, mit der SchuldnerInnen rasch errechnen können, ob eine Umschuldung in ihrem individuellen Fall vorteilhaft ist oder nicht. Da aktuelle Marktindikatoren laut der ExpertInnen ein Ende der Niedrigzinssituation sehr plausibel erscheinen lassen, drängt die Zeit. „Es lohnt sich auf jeden Fall, eine eventuelle Umschuldung durchzurechnen, denn durch eine Refinanzierung mit einem niedrig verzinsten Kredit können unter Umständen tausende Euros eingespart werden“, rät Wöckl.
Während in den USA die Rückkehr zu einem höheren Zinsumfeld bereits in vollem Gange ist, hält die EZB noch an ihrem Leitzins von 0,0 Prozent fest. „Der Markt hat aber bereits das Potenzial möglicher Zinsschritte in seinen Preisen vorweggenommen“, verweist Ines Wöckl auf Anzeichen eines Umschwungs. Dieses Zusammentreffen historisch niedriger Zinsen und der Erwartung ihrer baldigen Erhöhung, legt es nahe, an eine Umschuldung zu denken. Allerdings können Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen, wenn ein Kredit frühzeitig zurückgezahlt wird. „Diese Pönale kann bei Unternehmenskrediten und Krediten an Staaten oder staatliche Institutionen dem Barwert der entgehenden zukünftigen Zinseinnahmen der Banken entsprechen und diesen in Ausnahmefällen sogar übersteigen“, weiß Wöckl.
Für Privatpersonen gelten in der EU Sonderregelungen. „Bei Verbraucherkreditverträgen, inklusive Wohnimmobilienkreditverträgen, darf eine Vorfälligkeitsentschädigung nur dann verlangt werden, wenn der Rückzahlungszeitpunkt in einen Zeitraum fällt, für den ein fester Zinssatz vereinbart worden ist“, erklärt die Finanzwirtschafterin. „Des Weiteren ist die Pönale je nach Kreditrestlaufzeit mit einem bzw. 0,5 Prozent des vorzeitig zurückgezahlten Kreditbetrags gedeckelt.“
Um es KreditnehmerInnen einfacher zu machen, die Vorteilhaftigkeit einer Umschuldung zu beurteilen, haben die Grazer ForscherInnen eine Methode zur Berechnung entwickelt. „Mit unseren Formeln lässt sich ermitteln, bis zu welcher kritischen Obergrenze für den Nominalzinssatz des neuen Kredits die vorzeitige Rückzahlung rentabel ist“, fasst Wöckl zusammen. Die Berechnungen können sowohl auf festverzinsliche als auch auf variabel verzinsliche Kredite angewendet werden und berücksichtigen zusätzlich, ob der Kredit endfällig oder in Annuitäten zurückgezahlt wird. An der Entwicklung eines Online-Tools zur allgemeinen Nutzung wird gearbeitet.
Donnerstag, 18.10.2018