Bis zu ein Drittel der Bienenvölker stirbt weltweit über den Winter, oft wegen zu niedriger Temperaturen. Das Team des Artificial Life Lab der Universität Graz hat in Kooperation mit der Schweizer École Polytechnique Fédérale de Lausanne (EPFL) eine Hightech-Wabe entwickelt, die die Tiere in der kalten Jahreszeit überwachen und die Wärmezufuhr im Stock regulieren kann. Außerdem gewährt die von außen steuerbare Erfindung bisher unmögliche Einblicke in das Verhalten der Insekten. Die ersten Forschungsergebnisse wurden soeben im Wissenschaftsjournal Science Robotics veröffentlicht.
Im Winter den Bienenstock zu öffnen, um die Tiere zu beobachten oder nach ihrem Wohlergehen zu sehen, wäre fatal. „Unser Roboter-System hilft uns, das Verhalten der Honigbienen zu untersuchen und zu verstehen. Wir können mit den Tieren in einen Dialog treten und so ihre Überlebensmechanismen ergründen“, führt Martin Stefanec aus. Er ist Biologe an der Universität Graz und einer der Hauptautor:innen der Studie. Die Forscher:innen erwarten sich unter anderem Erkenntnisse zur sogenannten Wintertraube, der Formation der Bienen im Stock während der kalten Monate.
Hightech mit Fernsteuerung
Die smarte Wabe ist mit 64 hochpräzisen Temperatursensoren und zehn Heizfeldern ausgestattet und regelt autonom die Wärme der Wintertraube. Weiters kann sie die Imker:innen per SMS vor einem drohenden Temperaturkollaps warnen. Diese haben die Möglichkeit, von außen rechtzeitig Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Durch die punktuelle Regulierung der Heizung lassen sich die Tiere nicht nur wärmen, sondern auch gezielt auf honigreichere Areale umlenken. „Sie benötigen nämlich Orte mit spezifischer Temperatur und bewegen sich von selbst dorthin“, erklärt Stefanec.
„Viele Regeln der Bienengesellschaft – von kollektiven und individuellen Interaktionen bis hin zur Aufzucht einer gesunden Brut – werden durch Temperatur reguliert“, ergänzt Rafael Barmak von der EPFL, ebenfalls Hauptautor der Studie. Das wollen sich die Forscher:innen zunutze machen und die Wabe künftig auch im Frühling einsetzen. In dieser Jahreszeit muss das Volk durch Brutproduktion schnell wachsen, um die kritische Masse für den Fortbestand der Kolonie zu erreichen.
Über Hiveopolis
Im Rahmen des von Thomas Schmickl geleiteten Projekts Hiveopolis haben sich das Team des Artificial Life Lab der Universität Graz sowie die Mobile Robotic Systems Group der EPFL das gemeinsame Ziel gesetzt, die Honigbiene durch Technik so zu unterstützen, dass sie in Zeiten des weltweiten Artensterbens für die Zukunft gestärkt ist. Das Vorhaben wird von der EU fünf Jahre lang – noch bis 31. März 2024 – mit rund sieben Millionen Euro gefördert. Weitere Partner sind die Université Libre de Bruxelles, die Freie Universität Berlin, Bee Smart Technologies Sofia, Latvijas Biozinatnu un Tehnologiju Universitate sowie die Humboldt-Universität Berlin.