Grenzen sind dicht, Transport-MitarbeiterInnen in Quarantäne, weltweit die Produktion gedrosselt. Wie kommen Krankenhäuser zu dringend benötigter Ausstattung, Apotheken zu Medikamenten und Supermärkte zu frischer Ware? Marc Reimann, Leiter des Instituts für Produktion und Logistik der Universität Graz sieht mehrere Wege.
„Das Hauptproblem jetzt ist wohl, dass alle Prozesse und alle Handelspartner weltweit betroffen sind“, beurteilt er die außergewöhnliche Situation. Die Produktionsausfälle in China, wo die Betriebe erst langsam wieder öffnen, könnten zu weiten Teilen durch Leerung der bestehenden Lager abgefangen werden. Da dafür das nötige Personal fehlt, springen lokal Freiwillige und die Miliz ein. Die Schließung der Grenzen wird allerdings auch in den nächsten Wochen die Lieferzeiten verlängern. Eine Verteilung der Produktions- und Lagerstätten auf mehrere Standorte könnten diese Probleme im Prinzip lösen. Sie würden aber höhere Betriebskosten und komplexere Logistik verursachen. „Folglich sind sie in Nicht-Krisenzeiten teurer und damit weniger effizient“, so Reimann.
Chance im Kreislauf
Selbst wenn die Produktion dezentralisiert wird, sind weiterhin Anlieferungen – etwa von Rohstoffen – nötig. „Durch die Kreislaufwirtschaft könnte dieses Problem im großen Stil abgeschwächt werden“, betont der Forscher. Am besten wäre es, zumindest einzelne Teile und Komponenten von nicht mehr verwendeten Produkten systematisch wiederzuverwenden. Damit stünden sie als Sekundärrohstoffquellen für die Herstellung neuer Dinge zur Verfügung. „Um das zu erreichen, sind gemeinsame Anstrengungen aller nötig“, meint Reimann. Die KonsumentInnen müssten überzeugt werden, mitzumachen, eine Sammellogistik muss aufgesetzt werden, außerdem braucht es noch effektivere Prozesse für die Zerlegung, die Wiederaufarbeitung und das Recycling der Komponenten und Rohstoffe. „Erste Ansätze dazu gab es bereits vor der Krise. Jetzt, wo die herkömmlichen Lieferketten nicht mehr funktionieren, wären Investitionen in diesem Bereich eine einmalige Möglichkeit, für eine bessere Zukunft vorzusorgen“, ist der Wissenschafter überzeugt.